MBO (Münchner Büro Organisation)

Quelle: DIE ZEIT , 1.8.1980, Autor: Hermann Bößenecker

Bei einem Eiskaffee im Münchner Nymphenburg Viertel besiegelten an einem Sommertag des Jahres 1966 zwei mittellose Olivetti- Vertriebsleute einen folgenschweren, für sie goldrichtigen Entschluß: Der aus der Gegend von Altötting stammende Meß- und Regelmechaniker Lorenz Niederleitner und sein damaliger Vorgesetzter, der Kaufmann Peter Schmidt aus Wetzlar, beschlossen ihre gemeinsame Zukunft als freie Unternehmer.

Der Oberbayer und der Hesse haben ihre Entscheidung nicht bereuen müssen. Denn heute sind Schmidt, nun 43, und Niederleitner, 38, als geschäftsführende Gesellschafter der MBO Schmidt & Niederleitner GmbH & Co. KG mit Sitz in Deisenhofen bei München Inhaber eines florierenden Unternehmens mit einem Jahresumsatz von 125 Millionen Mark. Und stolz können sie sich „deutsche Marktführer bei elektronischen Tisch- und Taschenrechnern ebenso wie bei Quartz Uhren nennen.

Den beiden MBO Bossen war es damit gelungen, sich Zugleich in zwei zukunftsträchtigen Märkten zu engagieren, die zudem miteinander eng verbunden sind. Ihr Erfolgsrezept: sich mit ausgesprochen preisgünstigen Produktionen zu profilieren.

Als Schmidt und Niederleitner die am 1. Juli 1967 gegründete Firma beim Handelsregister anmelden wollten, schwebte ihnen noch der anspruchsvolle Name „Münchner Büro Organisation" vor. Doch der Registerrichter winkte ab: Solch ein Name setze eine beachtliche „Größe" voraus. Also ließen es die beiden Gründer, die mit einem „Startkapital Null" (Niederleitner) ohnedies zunächst keine großen Sprünge machen konnten, bei der Abkürzung „MBO". Und dabei ist es bis heute geblieben.

Überwiegend mit Lieferantenkrediten bauten die beiden ihr Handelsunternehmen aus. Von Olivetti, Olympia und Adler bezogen sie Büro- und Rechenmaschinen, die sie an Firmen weiter verkauften. Im ersten Jahr wurden knapp hunderttausend Mark umgesetzt, am 1. Januar 1968 konnte die erste Mitarbeiterin eingestellt werden. Im Jahre 1969 wurde die erste Umsatzmillion erzielt. Doch da importierten sie auch schon den ersten elektronischen Tischrechner aus Japan, zum Preis von 4500 Mark.

Dieser kam sozusagen „aus dritter Hand" über den Hamburger Importeur, den Frankfurter Generalvertreter und den Münchner Regionalvertreter und war somit viel zu teuer. Deshalb flog Niederleitner 1970 nach Japan und verhandelte mit der (inzwischen vom Markt verschwundenen) japanischen Handelshaus wurde nun ein Direkteinkauf organisiert.

Der „General" aus Japan brachte den Aufschwung. Schon bald freilich waren es die zwei ehrgeizigen Verkaufsleute leid, daß sie auf ein zudem viel zu wenig entwicklungsfähiges Fabrikat angewiesen waren. Andere Lieferanten aus Japan kamen hinzu, und 1972 wurde die Marke „MBO" als gemeinsames Dach kreiert.

Die junge Firma profitierte, in vollem Umfang von dem Taschenrechnerboom der siebziger Jahre. Für 1979 errechneten die zwei Unternehmer einen Anteil von zwanzig Prozent am heimischen Markt. Die MBO Rechner, die per Lohnfertigung aus Japan kommen, werden zu siebzig Prozent über Waren- und Versandhäuser, Verbrauchermärkte und ähnliche Kanäle abgesetzt. Interessant ist auch das Schulgeschäft, in das MBO mit viel Geschick vorstieß.

An dem ursprünglichen Konzept hat sich nichts geändert: Weil eine breite Palette von Modellen von den verschiedensten Herstellern zusammengekauft wird, kann sehr flexibel auf alle Marktbewegungen reagiert werden. Niederleitner: „Wir können uns die Rosinen herauspicken". Größter MBO Lieferant ist Toshiba. Allmählich wollen sich die zwei Handelsmänner von ihrer Erfolgsdevise, sich preislich stets nach unten zu profilieren, lösen. Die neue Marschroute heißt: Das Preisniveau anheben.

Auch technologisch zeichnet sich ein Wandel ab. Bei den nur anzeigenden Taschenrechnern, deren Lebensdauer etwa drei Jahre beträgt, zeichnet sich eine deutliche Marktsättigung ab. So wollen sich die MBO Manager künftig verstärkt auf schreibende (druckende) elektronische Rechner konzentrieren — wobei die Flüssig Kristall Anzeige (LCD) beibehalten wird.

Es war nur logisch, daß MBO 1974 (Umsatz damals mit 34 Mitarbeitern 18,5 Millionen Mark) auch in das gerade anlaufende verwandte Geschäft mit elektronischen Quartzuhren einstieg. Die traditionellen Uhrenhersteller hatten weithin die technologische Entwicklung verschlafen und wurden von der Quartzrevolution überrollt. Auch der Uhrenfachhandel sperrte sich, so sieht es wenigstens Niederleitner, zunächst gegen die Quarzmodelle, weil er nicht auf seinen üblichen Aufschlag von hundert Prozent kam, sondern sich mit dreißig oder vierzig Prozent begnügen mußte.

So setzt MBO heute auch die Quarzuhren so gut wie ganz am Fachhandel vorbei ab über die fürs Rechnergeschäft erschlossenen Kanäle. Mit einer Ladenpreisskala von 25 bis 100 Mark (der Durchschnitt am Markt liegt bei etwa 70 Mark) bewegt man sich noch in ausreichendem Abstand zu den „großen Japanern" Seiko und Citizen, die in den oberen Preislagen den Ton angeben. Bei MBO wird die Auffassung vertreten, daß die Preisdifferenz bei Quarz Uhren heute überwiegend im Design, im Wert des Gehäuses „und im Vertriebsapparat" (Niederleitner) begründet liegt. Für hundert Mark erhalte man „eine schöne Uhr mit, allen Raffinessen" und einer Lebensdauer von gut fünf Jahren. Bei MBO die mit rund zwei Millionen Stück etwa zwanzig Prozent Marktanteil erreicht, dominiert die Digitaluhr. Analogmodelle (mit herkömmlichem Zeiger) haben höchstens einen Anteil von zehn Prozent.

Durch das Uhrengeschäft bekam die MBO Erfolgsstory neue Dimensionen. In Deisenhofen, wo vor allem in den Bereichen Service und Vertrieb 220 Mitarbeiter beschäftigt sind, kurbelten die beiden Unternehmer eine bescheidene montageähnliche Fertigung aus importierten Teilen an. Und in Hongkong wurde mit einer eigenen Tochtergesellschaft der MBO Far East Ltd im vergangenen Jahr mit rund 100 Personen eine eigene Uhrenproduktion gestartet: Module werden aus japanischen Komponenten montiert und in Gehäuse aus der Kronkolonie eingebaut.

Vom Umsatz des letzten Jahres (zu dem Uhren 60 Millionen Mark, Rechner rund 40 Millionen Mark und ausgewählte Geräte der Unterhaltungselektronik über 20 Millionen Mark beisteuerten) brachte die fernöstliche Dependance bereits 50 Millionen Mark. Die Tochter liefert auch direkt an die deutschen Großkunden aus, was die Muttergesellschaft, die sich hier formal auf die Vermittlung beschränkt, finanziell enorm entlastet: Denn die Artikel werden durchweg FOB (free on bord) auf Akkreditivbasis verkauft — die Finanzierung übernimmt die Bank des Käufers, und Außenstände gibt es keine. Damit hat sich die Stammfirma, die großen Wert darauf legt, daß die Kunden innerhalb von dreißig Tagen zahlen und keine Bestände das knappe Kapital binden, etwas aus ihrer Finanzklernme hinausmanövriert, die Produktionsstätte in Fernost „abgenabelt".

Die MBO Inhaber verhehlen nicht, daß trotz guter Ergebnisse angesichts der deutschen Steuerlast bisher eine Kapitalbildung aus dem Ertrag nur in beschränktem Umfang möglich war, so daß der geschäftlichen Expansion „natürliche Grenzen gesetzt" sind. Die Eigenkapitalbasis dürfte allerdings bei fünf Millionen Mark liegen. Wertvollstes Aktivum ist das 1979 gekaufte Deisenhofener Betriebsgrundstück, das 6,2 Millionen Mark gekostet hat, aber zehn Millionen Mark wert ist.

Weder Niederleitner noch Schmidt schließen aus, daß später einmal ein finanzkräftiger Partner gesucht werde. Doch vorerst gebe es, so versichern beide, weder einen Zwang dazu noch konkrete Überlegungen. Mit einer guten Hausbank wollen sie weiterhin allein bleiben. 1980 soll nach dem Urnsatzsprung des vergangenen Jahres (ein Plus von 51 Prozent) eine Konsolidierungspause eingelegt werden. Doch bis 1985 peilen die MBOChefs eine Verdoppelung des Geschäfts auf 250 Millionen Mark an. Der rasche Erfolg hat sie mutig gemacht — aber gewiß nicht leichtsinnig.