Ferrari hat Heuer erst richtig bekannt gemacht

Formel-1-Fahrer Niki Lauda (l.) und Clay Regazzoni (r.) beim Signieren ihres Sponsoring-Vertrags mit Jack Heuer

 

FOCUS: TAG Heuer umgibt sich gern mit prominenten Werbeträgern. Brad Pitt, Tiger Woods, Lewis Hamilton. Trägt Hamilton eigentlich auch bei den Rennen eine Uhr mit eingravierter Blutgruppe wie die Scuderia-Ferrari-Fahrer in den 70er-Jahren?

Heuer: (schmunzelt) Nein, das wäre heute ein makabrer Gag.

FOCUS:
Und bei Niki Lauda oder Clay Regazzoni war es kein makabrer Gag?

Heuer: Damals war die ganze Formel 1 anders. Der Sicherheitsaspekt in den 70er-Jahren ist mit heute überhaupt nicht vergleichbar. Denken Sie nur an den Rettungshelikopter an der Strecke, das war damals undenkbar. Oder was sich bei der Sicherheit der Autos getan hat. Wir haben damals ja auch einige Fahrer bei Unfällen auf der Rennstrecke verloren – und Lauda und Regazzoni wurden dabei schwer gezeichnet. Als mein Freund Jo Siffert 1971 tödlich verunglückte, wollte ich eigentlich schon aus der Formel 1 aussteigen. Siffert war ein Freund, ein ganz toller Kerl und unser erster Botschafter in der Formel 1.

FOCUS:
Eigentlich wollten Sie aussteigen – haben es aber doch nicht getan.

Heuer:
Wir waren zu diesem Zeitpunkt schon bei der Scuderia Ferrari im Boot, und der Commendatore (Enzo Ferrari, Anm. der Redaktion) hat nach einem Unfall knallhart reagiert. In der Woche nach einem Unglück saß einfach ein anderer Fahrer im Cockpit.

Es war schon damals ein Zirkus. Wenn im Zirkus Knie ein Artist abstürzt, muss bei der nächsten Vorstellung auch ein anderer Trapezkünstler auftreten.

FOCUS: Ferrari hat Heuer erst richtig bekannt gemacht.

Heuer:
Wir waren in der Formel 1 von der ersten Stunde an dabei. Wir haben also eine gewisse Legitimität in diesem Sport. Aber die Scuderia Ferrari ist ein Nimbus – bis heute. Und egal, ob die Scuderia damals Erster, Zweiter oder Letzter wurde, die Autos waren immer in der Presse und damit auch unser Heuer-Logo auf dem Fahrzeug.

FOCUS: Sogar der jüngst verstorbene Schauspieler und Hobby-Rennfahrer Paul Newman trug einen Overall mit Heuer-Logo.

Heuer:
(lacht) Ja, das ist richtig. Paul Newman hat sich in den 70er-Jahren ein Modell des welt-ersten Elektronik-Chronographen, den sogenannten Heuer Chronosplit, in New York gekauft. Er fand die Uhr toll. Das Logo scheint er sich dann selbst auf seinen Overall aufgenäht zu haben. Dafür haben wir keinen einzigen Rappen bezahlt. Im Gegenteil: Wir haben Tausende von diesen roten Aufnähern verkauft. Doch damit sind wir auch schon bei den drei Hauptunterschieden von damals im Vergleich zur heutigen Formel 1.

FOCUS:
Und die wären?

Heuer: Der erste Punkt ist das Geld. Der zweite Punkt ist das Geld, und der dritte Punkt ist ...

FOCUS:
... auch das Geld?

Heuer:
So ist es. Niki Lauda hat von mir persönlich seine Uhr bekommen, wie auch alle anderen Fahrer der Scuderia Ferrari in der damaligen Zeit, und 50000 Franken pro Jahr.

Heute müssen Sie mit dem 10- bis 20-fachen Tarif rechnen. Das lässt sich nicht mit der Inflation erklären, sondern nur mit der heutigen Bedeutung des Marketings. Dabei war die Formel 1bis Mitte der 80er-Jahre noch eher eine amateurhafte Sache, noch nicht so professionell, wie sie es heute ist.

FOCUS: Amateurhaft? Die Fahrer haben doch schon damals nicht schlecht verdient.

Heuer: Mit den heutigen Zahlen aber nicht vergleichbar. Erst Mitte der 80er-Jahre wurde die Formel 1 so langsam für TV-Übertragungen und Werbekunden richtig interessant, da nun auch die Zeitmessung elektronisch realisiert wurde. Dank unserem System, dem sogenannten ACIT*, konnten einzelne Rundenzeiten und Positionen der Fahrer verglichen und angezeigt werden. Der Fernsehzuschauer hat erst damals erkannt, worum es eigentlich geht, da die Informationen und Daten für ihn durch die Zeitmessung interessant und verständlich aufbereitet wurden. Dieses System haben wir als Prototyp in den 70er-Jahren entwickelt und es Ecclestone 1977 präsentiert. Er war begeistert, leider wurde es aber für uns zu teuer, und wir haben die Weiterentwicklung mitten in der Uhrenkrise aufgeben müssen. Ab 1992 bis 2003 haben wir dann als TAG Heuer offiziell mit unserem Zeitmesssystem, welches auf dem ACIT basiert, die Formel-1-Rennen gemessen.

FOCUS:
Und Formel-1-Boss Bernie Ecclestone ist Ihnen bis heute unendlich dankbar?

Heuer:
(lacht) Ich kenne Ecclestone ja noch aus der Zeit, als er ein Altwagenverkäufer war. Wir haben sicherlich dazu beigetragen, dass die Formel 1sich zu einer Geldmaschine entwickelt hat.

FOCUS: Sie haben immer noch nicht die Frage beantwortet, ob Sie vor 30 Jahren an das Comeback der mechanischen Uhr geglaubt haben.

Heuer: Ich habe damals – wie so viele – nicht daran geglaubt.

„Die Formel 1 war früher eine amateurhafte Sache. Niki Lauda hat von mir persönlich seine Uhr bekommen“ Jack Heuer